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Zu Beginn meines ersten Blog Posts dieses Jahr wünsche ich dir von Herzen eine stabile Gesundheit, Schutz, und die Erfahrung der Nähe unseres Gottes.

Hast du dir für diesen Jahr Ziele gesetzt? Ich hab das schon öfter versucht, aber immer wieder waren sie schon nach den ersten Wochen vergessen. So habe ich in den letzten Jahren gedacht: Okay, ich stelle mich der Realität. Bevor ich immer wieder die Enttäuschung meiner Hoffnungen erleben muss, lass ich das einfach mit dem Zielesetzen. Und damit ging es mir auch ganz gut.

Diesmal ist es anders. In den letzten Tagen von 2020 habe ich mir wirklich Zeit genommen, auf das vergangene Jahr zurückzuschauen. Dann hab ich mir Ziele gesetzt für 2021. Und außerdem einen recht genauen Plan erstellt, wie ich sie erreichen kann. Wenn es euch interessiert, schreib ich später einmal über meine Ziele, und wie es gerade mit ihnen steht.

Aber ganz gleich, ob du dir Ziele gesetzt oder für die kommenden Monate einfach nur Wünsche hast: Immer hat das mit einer Neu-Ausrichtung zu tun. Das bedeutet konkret: durch die Beschäftigung mit dem Neuen drehst du dich in eine neue Richtung, denkst anders als bisher. Du denkst in Richtung deines Ziels. Du denkst in Richtung deines Traums. Eine solche Neu-Ausrichtung hat ein Gefühl der Hoffnung und der Freude zur Folge. Das macht es zumindest am Anfang leichter, sich auf einen neuen Weg zu machen, auf das Ziel, auf den Traum zuzugehen.

Bei meiner Planung für 2021 fiel mir ein Satz aus einem Gebet ein, das etwa 2600 Jahre alt ist. Es ist der dritte Vers in Psalm 23.

Er erquickt meine Seele; er führt mich auf rechter Straße um seines Namens willen.
(Ps. 23, 3; SCH)

Der erste Teil dieses Verses wird in verschiedenen Bibelausgaben ziemlich unterschiedlich übersetzt1:

Übersetzung    Bibelausgabe
Er erquickt meine Seele   Luther, Elberfelder, Menge, Schlachter
Er stärkt und erfrischt meine Seele   Neue Genfer
Er gibt mir Kraft   Neues Leben
Er gibt mir neue Kraft   Hoffnung für Alle, Gute Nachricht
Er schenkt mir wieder neue Kraft   Neue evangelistische Übersetzung
Meine Lebenskraft bringt er zurück   Einheitsübersetzung
Neues Leben gibt er mir   Zürcher


“Meine Seele”

Er erquickt meine Seele; er führt mich auf rechter Straße um seines Namens willen.
(Ps. 23, 3; SCH)2

Das erste Wort im hebräischen Text3 wird bei uns meistens übersetzt als Seele. Aber es taucht in einigen der Übersetzungen gar nicht auf. Wie kann das sein?

Was Luther mit “Seele” und die Zürcher Übersetzung mit “Leben” wiedergibt, ist das hebräische נֶפֶשׁ (nephesh). Denken wir an “Seele”, dann haben wir eine bestimmte Vorstellung: das Unsterbliche in uns, das nach unserem Tod immer bei Gott sein wird. In unserem Verständis ist “Seele” also etwas, das sich von unserem Körper unterscheidet.

Das hat David, der als Autor unseres Psalms angenommen wird, nicht gemeint. Erst einige Jahrhunderte nach David begannen die Juden, “Seele” so zu verstehen wie wir4.

[Für nephesh gibt es] im Deutschen keinen Begriff […]. Die traditionelle, z.B. in Bibelübersetzungen anzutreffende Wiedergabe mit „Seele“ ist irreführend, da sie mit dem Begriff Vorstellungen verbindet, die alttestamentlichem Denken fremd sind.5

David verstand das Wort nephesh noch so, wie es in der Schöpfungsgeschichte gemeint ist:

Da formte Gott, der HERR, den Menschen, Staub vom Erdboden, und blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen (= nephesh).
(1.Mo. 2, 7; EÜ)

Die Elberfelder Bibel übersetzt daher auch:

So wurde der Mensch eine lebende Seele.
(1.Mo. 2, 7b; ELB)

Wenn der Psalmist hier sagt: “Er erquickt meine Seele”, dann hat er also ein sehr umfassendes Bild vor Augen. Er spricht von unserer eigentlichen, ursprünglichen Natur. Er spricht von dem, als was Gott uns geschaffen hat. Nephesh wird hier ganz allgemein verstanden als der Mensch in seiner Eigenschaft als Gegenüber Gottes.6 Er sagt hier: Gott erquickt durch und durch, dein ganzes Wesen. Du, alles was dich ausmacht, ist hier von David gemeint.

In unserem modernen Verständnis ist die Seele zu etwas Ungreifbarem geworden. Der Psalmist hätte dieses Konzept gar nicht verstanden. Daher müssen wir ein viel umfassendere Bild von “Seele” vor Augen haben, wenn wir den Psalmisten hier verstehen wollen.

“Er erquickt”

Schauen wir uns das nächste Wort an: “Er erquickt meine Seele.” Im Hebräischen steht hier das Wort שׁוּב (shúve).

Er erquickt meine Seele; er führt mich auf rechter Straße um seines Namens willen.
(Ps. 23, 3; SCH)

שׁוּב (shúve) bedeutet zunächst einfach umkehren, zurückkehren, oder auch: etwas wiederherstellen.7

Von den Übersetzungen, die ich oben vorgestellt habe, scheint mir an dieser Stelle die Einheitsübersetzung am genauesten zu sein:

Meine Lebenskraft bringt er zurück.
(Ps. 23, 3; EÜ)

Aber noch besser gefällt mir die Übersetzung des jüdischen Gelehrten Martin Buber:

Die Seele mir bringt er zurück.8

Gott bringt meine Seele dazu, zurückzukehren.9 Das sagt tatsächlich viel mehr aus, als dass meine Seele nur erquickt, das heißt irgendwie aufgemuntert wird. Ich verstehe diesen Satz so: Gott stellt das wieder her, was mein eigentlicher Kern ist. Er richtet meine Seele, die sich verlaufen hat, neu aus. Er stellt mich als sein Gegenüber wieder her.

Ist das nicht eine tolle Aussage? Wie oft fühlen wir uns irgendwie verloren: in den vielen Aufgaben des Alltags, unseren Beziehungen, der Arbeit, die uns über den Kopf wächst? Wir werden so schnell kopflos, verlieren die Orientierung. Aber der Psalmist sagt: Gott kann und will uns immer wieder neu ausrichten. So, wie das auch ein Hirte mit einem Schaf tut, das in eine falsche Richtung läuft und sich in Gefahr bringt.

Der Rabbiner Harold Kushner drückt das wunderbar aus10:

Eine Seele ist das, was uns menschlich macht. […] Die Gefahr besteht darin, dass wir entweder durch Müdigkeit oder durch Gleichgültigkeit den Kontakt zu unserer Seele verlieren. Wir werden aufhören, die Eigenschaften zu verkörpern, die uns zu Menschen und nicht zu Tieren machen - wir werden uns damit zufriedengeben, einfach nur zu essen, zu schlafen und Sex zu haben. Jeder Mensch hat das Potenzial, schlecht zu sein, und jeder Mensch hat das Potenzial, ein sehr guter Mensch zu sein. Aber wenn man seinen Weg verliert, was sehr leicht ist, dann glaube ich, dass man Gott braucht, um wieder auf den Weg zu kommen.

Du musst nicht an Gott glauben, um deine Seele besser zu machen. Aber du musst an Gott glauben, um deine Seele wiederhergestellt zu bekommen.

Wie kannst du dich neu ausrichten zu lassen?

Nun können wir uns fragen: “Aber wie macht Gott das? Wie richtet er meine Seele neu aus? Was ist dabei seine, und was ist meine Aufgabe?”

Mir fallen da spontan drei Wege ein:

  1. Das Wort Gottes,
  2. die christliche Gemeinschaft, und
  3. die Nähe zu Gott.

1. Das Wort Gottes

Wenn wir von Gott hören wollen ist der erste Schritt: wir beschäftigen uns mit seinem Wort, der Bibel. Psalm 19 sagt über die Schrift:

Die Weisung des HERRN ist vollkommen, sie erquickt den Menschen.
(Ps. 19, 8; EÜ)

Und du hast es dir wahrscheinlich schon gedacht: für das Wort “erquickt” steht im Hebräischen wieder das Wort שׁוּב (shúve). Wir könnten diesen Vers also auch so ausdrücken:

Die Weisung des HERRN ist vollkommen, sie richtet den Menschen neu aus.

Das ist der erste Weg, wenn du die Orientierung verloren hast, wenn du nicht weisst, wie es für dich weitergehen soll: nimm dir Zeit für das Wort Gottes. Höre, was er zu dir sagt. Bitte ihn, dich neu auszurichten.

Erlaube ihm, dich zu leiten.

2. Die christliche Gemeinschaft

Der zweite Weg, wie Gott dich neu ausrichten kann, ist die Gemeinschaft der Menschen, die nach seinen Maßstäben leben wollen: deine Gemeinde, dein Hauskreis, deine Freunde. Paulus schreibt: Wenn jemand von uns die Orientierung verloren hat, dann sollen wir einander

… voll Nachsicht wieder zurechthelfen. (Gal. 6, 1; NG).

Wir sind wichtig füreinander. Wir dürfen sogar in einem gewissen Maße die Rolle des Hirten einnehmen, wenn wir jemandem helfen, zu sich selbst, zu seinem eigentlichen Wesen, zu seiner Vision zurückzufinden. Du und ich - wir können einander helfen, wieder eine Perspektive zu gewinnen. Wir können einander die Richtung zeigen, uns gegenseitig neu ausrichten. Jeder von uns kann diese Hilfe brauchen. Wir alle stehen immer in der Gefahr, vom Trubel unseres Alltags überfordert zu werden.

Erlaube deinen Freunden, dir zu helfen.

3. Die Nähe zu Gott

Aber so wertvoll es ist, wenn wir uns umeinander kümmern: für mich persönlich ist die wichtigste Grundlage einer Neu-Ausrichtung, die Nähe zu Gott wirklich zu erleben. Meinen Weg habe ich ausführlich in der Blog-Serie über die [lectio divina] beschrieben. Das geht noch einmal weiter als das “normale Lesen” der Schrift. Wenn du die lectio divina noch nicht kennst: probier es einfach mal aus. Vielleicht ist der Start in dieses neue Jahr für dich dann eine Gelegenheit, Gott noch einmal ganz neu kennenzulernen.

Erlaube dir selbst, neue Erfahrungen zu machen.

Ich wünsche dir ein sehr gesegnetes 2021, in dem unser gemeinsamer Gott dich immer wieder neu ausrichtet: auf sich selbst und auf die Dinge, die für deine Weiterentwicklung wichtig sind.

[Zweiter Artikel dieser Miniserie: Geführt werden]



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Quellen:

Titelbild: Foto von Jeffrey F Lin (Unsplash).

Fußnoten:
  1. Siehe [bibleserver.com] 

  2. Der hebräische Text nach der [Blue Letter Bible] 

  3. Hebräisch wird von rechts nach links geschrieben. Das erste Wort des Satzes steht daher ganz rechts. 

  4. Richard Shapiro - Psalm 23: A Rabbi Rami Guide. Cork: BookBaby, 2013 

  5. Jürgen van Oorschot - Leben / naefaesch (AT). Im [wissenschaftlichen Bibellexikon (WiBiLex)] 

  6. ebd. 

  7. [Blue Letter Bible]: Strongs H7725 

  8. Buber, Martin, und Franz Rosenzweig - Die Schriftwerke. 6. Aufl. der neubearbeiteten Ausgabe von 1962. Die Schrift, verdeutscht von Martin Buber gemeinsam mit Franz Rosenzweig; Band 4, 1986 

  9. Richard M. Davidson - The Shepherd and the Exegetes: Hermeneutics Through the Lens of Psalm 23. [Andrews University] 

  10. What the Psalmist Meant. [beliefnet.com]. Ein Interview mit Rabbiner Harold Kushner über sein Buch “The Lord is My Shepherd: Healing Wisdom of the Twenty-third Psalm”, 2003 11.