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(Geschrieben im Museums-Café des Schloss Belvedere in Wien, 2020-09-10)

Anderthalb Rundgänge durch einen Reichtum von Kunst. Die allermeiste Zeit habe ich im ersten Stock mit der Epoche um 1900 verbracht. Mein Audio-Guide war Gold wert. Zu vielen Bildern gab er mir wertvolle Informationen, und liess mich manche altbekannte Bilder mit neuen Augen sehen.

Gustav Klimt: Judith und Holofernes

Und es gab viel Bekanntes. Vor allem Klimt. Die Judith hängt hier, und ich stand staunend vor ihr. Dann viele Frauen-Portraits, seine Bilder aus der Sommerfrische.

Gustav Klimt: Der Kuss

Und natürlich “Der Kuss”. Tausendmal gesehen, bis zum Überdruss auf Tassen, Tischsets und Bettwäsche. Aber dann selbst vor dem Werk zu stehen: das ist schon atemberaubend.

Aber es ist ein anderes Werk, das mich am meisten beeindruckte: Klimts Portrait der Amalie Zuckerkandl.

Gustav Klimt: Amalie Zuckerkandl

Ausgeführt ist nur der Kopf. Der unfertige Hintergrund ist hellgrün angelegt. Von der Dargestellten sieht man unterhalb der Schultern nur hingeworfene Bleistiftstriche auf hellbrauner Grundierung. Eigenartigerweise berühren mich diese groben Striche sehr: es ist, als wäre mir der Meister darin so nahe, wie ich es in seinen perfekten Gemälden nicht empfinde. Es ist das unmittelbare und so Vergängliche der Striche - wie schnell sind sie durch eine Handbewegung verwischt. Aber hier sind sie, genau so, wie Klimt sie vor über 100 Jahren auf das Papier geworfen hat.

Die Wirkung dieses Bildes ist gewaltig. Das makellose Gesicht, die Augen fast etwas belustigt auf den Betrachter gerichtet - und dann löst sich die Gestalt nach unten auf, verschwindet fast. Nur die Umrisse, ausgespart aus dem Hintergrund, sind noch sichtbar.

Ich sehe sie als Symbol eines doppelten Todes: Gustav Klimt starb, bevor er das Bild fertigstellen konnte. Und Amelie Zuckerkandl wurde 1942 im Konzentrationslager Belzek ermordert, weil sie Jüdin war.



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Quellen:

Sämtliche Abbildungen: eigene Fotos (Wien: Schloss Belvedere, 2020-09-10).