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Dies ist der dritte Teil eines mehrteiligen Posts. In den vergangenen zwei Monaten habe ich alle Zeit gebraucht, um ein Seminar vorzubereiten. Deshalb erscheint dieser Post verspätet.

Im [letzten Teil] haben wir uns damit beschäftigt, was ein Jünger ist, und warum das allgemeine Verständnis von Christsein mit Jüngersein nicht allzu viel zu tun hat. Heute geht es um die Frage, was das ganz grundlegend bedeutet: ein Jünger zu sein.

Tun was Jesus tat

Was genau will Jesus von seinen Nachfolgern?

Darum geht zu allen Völkern und macht die Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. (Mt. 28, 18-20; NGÜ)

Es kommt Jesus darauf an, dass wir die Arbeit fortsetzen, die er begonnen hat. Und dass wir das so tun, wie er es getan hat. Das heißt: Er hat Menschen zu seinen Jüngern gemacht, und genau das sollen auch seine Nachfolger tun, du und ich. Aber wie stellt er sich das vor?

Schauen wir uns unsere Übersetzung etwas genauer an, speziell die Worte geht, tauft und lehrt. Sie besitzen in unserem Text eine spezielle grammatikalische Form. Die Worte stehen hier als Partizipien (deutsch auch “Mittelworte” genannt). Das bedeutet zum Beispiel: Das Wort geht müsste eigentlich als gehend übersetzt werden.

Wörtlich sagt Jesus hier also:

Darum: gehend zu allen Völkern macht die Menschen zu meinen Jüngern; taufend sie auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrend sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. (Mt. 28, 19-20)

Oder etwas besser verständlich ausgedrückt:

Darum: während ihr zu allen Völkern geht, macht die Menschen zu meinen Jüngern, indem ihr sie tauft auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes und sie lehrt, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. (Mt. 28, 18-20)

Merkst du etwas? Hier kommt eine neue Betonung in das, was Jesus sagt. Die erste Version unserer Bibelstelle stammt aus der Neuen Genfer Übersetzung. Da sieht es so aus, als würde Jesus seinen Jüngern vier Anweisungen geben: 1. geht, 2. macht zu Jüngern, 3. tauft, und 4. lehrt.

Wenn wir aber genau hinschauen, gibt es nur eine einzige ausdrückliche Anweisung: “macht die Menschen zu meinen Jüngern”. Alles andere (gehen, taufen und lehren) sind nur die Mittel dafür, das Ziel zu erreichen, das Jesus gesetzt hat.

Missionsbefehl und Gemeinde

Ist dir schon einmal aufgefallen, dass Jesus so gut wie nie direkt evangelisiert hat?

Was hat er stattdessen getan? Er hat in zwei Richtungen gearbeitet:

  1. Die weitaus meiste Zeit hat Jesus seinen Jüngern gewidmet. Er hat sie sehr intensiv ausgebildet. Damit hat er sozusagen nach innen gearbeitet, in die Gemeinschaft seiner Nachfolger investiert.
  2. Anderen Menschen, denen er begegnete, hat er gezeigt, wie das Reich Gottes ist. Und er hat sie daran teilhaben lassen, hat sie in den Segen des Reiches Gottes mit hineingenommen: Heilung, Heilwerden und Vergebung. Dieser Teil seiner Arbeit war nach außen gerichtet.

Wir konzentrieren uns heute auf das Wirken nach innen. Wie können wir den Auftrag Jesu in unserer Gemeinde, in der Gemeinschaft seiner Nachfolger leben?

  • Gehen: Das ist innerhalb der Gemeinde weniger nötig. Wir treffen uns im Gottesdienst, in Kleingruppen oder in Teams. Dieser Punkt fällt also weitgehend weg.
  • Taufen: Die allermeisten, die sich einer Gemeinde zugehörig fühlen, sind getauft. Für alle anderen bestehen mehr oder wenig regelmäßig Angebote, sich taufen zu lassen. Auf diesem Punkt liegt also auch nicht der Schwerpunkt unserer Aufmerksamkeit.
  • Bleibt noch das Lehren. Hier könnten wir sagen: Das ist auch nicht so wirklich relevant für uns. Schließlich gibt es jeden Sonntag im Gottesdienst eine Predigt. Und wer will, kann zusätzlich in eine Kleingruppe gehen. Da bekommt er dann auch noch einmal Input. Außerdem gibt es jede Menge christlicher Bücher, Zeitschriften und Fernsehsender, von denen wir lernen können.

Dennoch liegt der Schwerpunkt, wie wir sehen werden, eindeutig beim Lehren.

macht die Menschen zu meinen Jüngern, indem ihr […] sie lehrt, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. (Mt. 28, 18-20)

Das ABC der Nachfolge

Und hier kommen wir zu einem wunden Punkt wahrscheinlich so gut wie jeder Gemeinde.

Im Sommerurlaub habe ich eine Gemeinde in Süddeutschland besucht. Der Prediger verwandte ein Bild, das sich mir eingeprägt hat. Er sprach von den christlichen ABC-Themen und den XYZ-Themen.

  • ABC: Das sind die wirklich wichtigen Themen, die zentralen Grundlagen unseres Glaubens und Lebens.
  • XYZ: Das sind die eher unwichtigen Dinge, mit denen wir uns so gerne beschäftigen.

Wir hören viele Predigten über alles Mögliche, und ich glaube, da sind zu viele XYZ-Themen dabei. Das heißt nicht, dass die Predigt nicht interessant ist. Das heißt auch nicht, dass du nichts von der Predigt hast. Es bedeutet nur, dass es wichtigere Themen gibt, die dich wirklich weiterbringen würden.

Es gibt Gemeinden, die sich schwerpunktmäßig mit der sogenannten “Endzeit” beschäftigen. Zentrales Thema anderer Gemeinden ist die Ausübung der Geistesgaben. Oder es wird fast jeden Sonntag darüber gepredigt, dass kein Christ leiden muss. Da geht es dann vor allem um Heilung und Wohlstand. Und ganz weit verbreitet ist es, dass wir uns wunderbar über die Feinheiten der Lehre streiten können: Kinder- oder Erwachsenentaufe? Gibt es die Sprachengabe noch, von der Paulus schreibt, oder ist sie überflüssig geworden?

All das sind Themen, die sich (mehr oder weniger gerechtfertigt) auf die Bibel beziehen. Das Problem ist, dass sie leicht ein zu starkes Gewicht bekommen, dass sie zu unseren ABC-Themen werden.

Was aber würde Jesus als ABC-Themen bezeichnen? Was ist es, was seine Nachfolger seiner Meinung nach lehren sollen? Er lässt da keinen Spielraum für Auslegungen: “Lehrt sie alles zu befolgen, was ich euch geboten habe.” Es geht um das, was Er gelehrt hat.

Könnte es sein, dass die heutige evangelikale und charismatische Christenheit eher eine Paulus-Gemeinde ist als eine Jesus-Gemeinde? Warum? Weil es uns oft so viel leichter fällt, theologische Details zu diskutieren statt der Frage, wie wir Jesus-gemäß leben können. Wie viele Predigten beschäftigen sich zum Beispiel mit Themen, die wir den Paulus-Briefen entnehmen? Oder schlimmer: Mit einzelnen Aussagen irgendwo aus der Bibel, deren angebliche Bedeutung allein dann verständlich ist, wenn sie aus dem Zusammenhang gerissen und zu zentralen Lehren aufgeblasen werden?

Und wie groß ist im Verhältnis dazu die Anzahl der Predigten, die sich auf ein konkretes Wort, eine Anweisung, eine Lebensregel Jesu konzentrieren?

Was hat Jesus gelehrt?

“Lehrt sie alles zu befolgen, was ich euch geboten habe.” Was hat Jesus denn geboten? Was hat er gelehrt? Da gibt es vor allem die Bergpredigt. Dann die vielen Lehren, die er in Gleichnisse verpackt hat. Und schließlich die unausgesprochenen Lehren, das, was wir aus seinem Leben lernen können. Eigentlich Stoff genug, um daraus unsere Predigten zumindest zum größten Teil zu bestreiten.

Vielleicht sollten wir uns viel mehr mit dem beschäftigen, was Jesus gelehrt hat. In unserer persönlichen Zeit mit Gott, im Hauskreis, im Gottesdienst. Das wäre sicher wertvoll: für uns persönlich, aber auch für die Außenwirkung der Gemeinschaft der Jesus-Nachfolger.

Aber selbst das reicht noch nicht aus. Jesu Hauptinteresse ist nicht, dass die Menschen seine Lehren kennenlernen. Auch das wäre wieder zu oberflächlich. Er sagt nicht: “Macht die Menschen zu meinen Jüngern, indem ihr sie alles lehrt, was ich euch geboten habe.” Er sagt:

“Macht die Menschen zu meinen Jüngern, indem ihr sie lehrt, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe.”

Die Aufgabe der Gemeinde, des Hauskreises und deiner privaten Zeit mit Gott ist, dass du es lernst, das in deinem Leben umzusetzen, was Jesus gelehrt hat. Es reicht nicht, zu wissen. Jesus geht es darum, dass wir beginnen, seiner Lehre und seinem Leben so zu folgen, sie so konsequent in unseren Alltag einzubauen, dass wir Jesus immer ähnlicher werden.

Und daran kranken wir. Daran kranken unsere Gemeinden.

Ich erinnere an das Zitat von Justin Gravitt aus dem [letzten Post]:

[Das Wort “Christ”] ist heute eher ein Begriff des Glaubens als des Verhaltens. Es bezeichnet nicht mehr jemanden, der wie Jesus aussieht und handelt, sondern wird eher für jemanden verwendet, der die Lehren des Christentums intellektuell akzeptiert hat. Statt an ihren Taten erkannt zu werden, ist der Christ von heute jemand, der Jesus als seinen persönlichen Erlöser angenommen hat und sich mit der christlichen Religion identifiziert.

Wenn wir dem “Missionsbefehl” folgen wollen, dann müssen wir das hinkriegen: wegzukommen von einer Kopfreligion hin zu einer Herz-, Hand- und Fuß-Lebensweise, die uns als Jünger Jesu erkennbar macht. Das ist das Einzige, was zählt.

Jesus hat gesagt:

Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird in das Himmelreich kommen, sondern wer den Willen meines Vaters im Himmel tut. (Mt. 7, 21)

Es reicht nicht zu glauben, dass Jesus der Herr, das heißt: unser Meister ist. Es reicht nicht zu wissen, was Jesus gelehrt hat. Es kommt darauf an, seine Lehren täglich auszuleben.

Darum geht es also im “Missionsbefehl”: dass wir uns selbst und einander lehren, alles zu befolgen, was Jesus uns geboten hat. Das bedeutet es, Jünger Jesu zu werden: Stückchen für Stückchen, immer mehr. Das bedeutet es, sein Ebenbild zu werden. Je mehr Jesus in dir und mir erkennbar wird, desto mehr können wir dann auch Jesu Auftrag umsetzen, anderen unseren Meister, unseren Lehrer, unseren Erlöser vorzustellen.

Im nächsten Beitrag werde ich beschreiben, wie ich das selbst versuche: Ein konsequenterer Jünger Jesu zu werden.

Bis dahin. Sei gesegnet!



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Quellen:

Gravitt
Justin G. Gravitt - [What’s the Difference? Christian vs. Disciple]; abgerufen 2021-09-17.

Titelbild: Lyricmac at [English Wikipedia]. [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons.

Fussnoten: