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Eine kleine Sammlung von Zitaten über die Sprengkraft des christlichen Glaubens:

Dem Christentum wohnt eine explosive Kraft inne.

Zitat 1: Catherine de Hueck Doherty

Das Dynamit des Christentums kann das Dynamit des Kommunismus besiegen, wenn die Christen keine Angst davor haben, ihre einfache, angenehme Lebensweise zu verlieren, indem sie die Zündschnur anzünden.
(Catherine de Hueck Doherty, 1939)1

Dieses Zitat stammt von Catherine de Hueck Doherty (1896-1985)2. Sie stammte aus dem russischen Adel und konnte nur mit knapper Not der Verfolgung durch die Kommunisten während der Russischen Revolution entfliehen.

15 Jahre nach ihrer Flucht aus Russland hatte sie sich in Kanada einigen Wohlstand erarbeitet, aber Catherine verkaufte alles, was sie besaß, weil sie sich von dem Wort Jesu angesprochen fühlte: “Wenn du vollkommen sein willst, geh, verkauf deinen Besitz und gib das Geld den Armen; so wirst du einen bleibenden Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach.” (Mt. 19, 21; EÜ) Sie lebte in Toronto zusammen mit den Armen, und gründete später in Harlem ein Friendship House, in dem sie gegen die Rassendiskriminierung kämpfte.

Auf dem Hintergrund ihrer Geschichte ist es klar, dass sie dem Kommunismus nicht traute. Und doch hinderte es sie nicht, mit der christlichen Arbeiterbewegung von Dorothy Day zusammenzuarbeiten, die dem Kommunismus zumindest sehr nahestand.

Zitat 2: Peter Maurin

Ganz ähnlich äußerte sich Peter Maurin (1877-1949)3, ein französischer katholischer Theologe und Sozialaktivist.

Wenn die christliche Kirche heute nicht die vorherrschende gesellschaftliche dynamische Kraft ist, dann liegt das daran, dass christliche Gelehrte das Dynamit der Kirche genommen, es in schöne Worte verpackt, in einen luftdichten Behälter gelegt und sich auf den Deckel gesetzt haben. Es ist an der Zeit, den Deckel wegzusprengen, damit die christliche Kirche wieder die dominierende sozialdynamische Kraft wird.
(Peter Maurin, ca. 1932)4

Im Original sprach Peter Maurin hier über die katholische Kirche. Ich habe mir die Freiheit genommen, katholisch jeweils als christlich wiederzugeben, da seine Aussage meiner Meinung nach alle christlichen Kirchen und Theologien betrifft. Auf Maurin (und seine Mitstreiterin Dorothy Day) gehen ebenfalls Häuser zurück, in denen Arme zusammen lebten (Houses of Hospitality), sowie ländliche Gemeinschaften, die gemeinsam Farmen betrieben.

Diese Kraft ist schon im grundlegenden Dokument des Christentums, der Bibel, angelegt.

Zitat 3: Mahatma Gandhi

Das hat bereits Mahatma Gandhi (1896-1948)5 erkannt. Als überzeugter Pazifist erreichte er die Unabhängigkeit Indiens von englischer Besatzung. Er sagte über die Bibel:

Ihr Christen habt in eurer Obhut ein Dokument mit genug Dynamit in sich, die gesamte Zivilisation in Stücke zu blasen, die Welt auf den Kopf zu stellen, dieser kriegszerrissenen Welt Frieden zu bringen. Aber ihr geht damit so um, als ob es bloß ein Stück guter Literatur ist - sonst weiter nichts.
(Mohandas Karamchand Gandhi)6

Dies ist eines der bekanntesten Zitate über die Bibel. Aber gerade weil er aus der Position eines Nichtchristen spricht, das Christentum sozusagen von aussen betrachtet, kann er uns einen Spiegel vorhalten. Verstehen wir wirklich, was wir mit der Bibel in der Hand haben? Haben wir noch einen Blick dafür, welche Bedeutung die Bibel haben kann: nicht nur für einen persönlichen Glauben, sondern für die Gesellschaft um uns herum?

Zitat 4: Papst Franziskus

Auf das Zitat von Mahatma Gandhi bezieht sich auch Papst Franziskus im Vorwort der Jugendbibel YOUCAT. In anderen Gesellschaften, so betont er, kann allein schon der Besitz einer Bibel gefährlich sein:

Heute gibt es mehr verfolgte Christen als in den Anfangszeiten der Kirche. […] Sie werden verurteilt, weil sie eine Bibel besitzen. Die Bibel ist also ein äußerst gefährliches Buch. So gefährlich, dass man in manchen Ländern so behandelt wird, als würde man Handgranaten im Kleiderschrank horten.
(Papst Franziskus)7

Die Kraft der Bibel steckt in der Botschaft Jesu.

Zitat 5: Paulus

Aber gehen wir noch einen Schritt zurück, in die Zeit, als es unsere Bibel noch nicht gab. Im Brief an die Römer schreibt Paulus etwa 25 Jahre8 nach dem Tod Jesu:

Das Evangelium ist die Kraft Gottes, die jedem, der glaubt, Rettung bringt. (Röm. 1,16; NGÜ)

Mit Evangelium kann Paulus hier noch nicht die 4 Evangelien meinen, die in unserem Neuen Testament stehen; die entstanden erst einige Jahrzehnte später. Er spricht hier von der Guten Nachricht, der Botschaft von dem liebenden Vater-Gott, die Jesus gebracht hat.

Mit Kraft wird hier das griechische Wort δύναμις (dýnamis) übersetzt. (Dieses selbe Wort wählte Alfred Nobel, als er einen Namen für seinen gerade erfundenen Sprengstoff suchte: das Dynamit.) Das Evangelium, also die Gute Nachricht, die Jesus uns gebracht hat, ist viel mehr als ein Stück Information. Es ist dynamisch, besitzt eine so große Kraft, dass Paulus sie die Kraft Gottes nennt. Eine Kraft also, die alle menschlichen Möglichkeiten unendlich übersteigt.

Die Kraft Gottes ist jedem einzelnen Nachfolger Jesu “eingepflanzt”.

Zitat 6: Jesus

Verfolgen wir diese Line noch weiter zurück, landen wir bei Jesus selbst. Auch er sprach von dieser Kraft, und dabei verwendet der Autor der Apostelgeschichte dasselbe Wort wie Paulus: dýnamis. Aber Jesus schreibt diese Kraft nicht einem Buch zu (wie Gandhi) oder einer Botschaft (wie Paulus): er bringt sie in direkte Verbindung mit seinen Nachfolgern.

Wenn der Heilige Geist auf euch herabkommt, werdet ihr mit seiner Kraft (dýnamis) ausgerüstet werden, und das wird euch dazu befähigen, meine Zeugen zu sein. (Apg. 1,8; NGÜ)

Und das, muss ich zugeben, erschreckt mich. Kann das sein: dass ich wirklich die Kraft Gottes in mir habe? Das entspricht ja nicht nicht gerade meiner Erfahrung. Ich fühle mich meistens eher müde, kämpfe mit meiner Unzulänglichkeit. Ich bin so fixiert darauf, die Herausforderungen meines Alltags zu bestehen, dass mein Blickfeld eher klein ist.

Und doch soll da etwas in mir sein, das weit über das hinausgeht, was ich sehen kann. Auch in dir ist etwas, das so viel größer ist als das Leben, das du gerade überblicken kannst: die Kraft Gottes.

Können wir das überhaupt glauben: dass in unserem Glauben, und dadurch in uns eine solch explosive Kraft steckt?

Glauben oder Nachfolgen?

Diese Kraft hat einen Sinn: wir sollen Zeugen sein. Zeuge zu sein hat immer eine Beziehung nach aussen, hat nicht nur mit mir zu tun, mit meinem persönlichen Leben. Wir sollen, so sagt Jesus, Zeugen für ihn sein. Dafür haben wir die Kraft Gottes bekommen. Aber was bedeutet das?

Wir sollen die Botschaft leben (nicht nur weitererzählen), die Jesus uns gegeben hat: dass es einen Gott gibt, der bedingungslos liebt. Der jeden Menschen annimmt. Das heisst: wir sollen die Menschen in unserer Umgebung so lieben, wie Jesus es uns vorgelebt hat: bedingungslos. Das zu leben, das übersteigt unsere eigene Kraft. Dafür brauchen wir die Kraft Gottes, die auch Jesus die Kraft zu lieben gegeben hat.

Zeuge Jesu zu sein, das bedeutet auch: seine Haltung der Gesellschaft gegenüber einzunehmen. Ungerechtigkeit nicht einfach hinzunehmen, Strukturen in Frage zu stellen, zu vergeben. Wenn ich ehrlich bin, habe ich riesige Angst davor, in eine Situation zu kommen, wo ich offen für jemanden eintreten muss, der von anderen angegriffen wird. Sollte es einmal soweit kommen, kann ich nur hoffen, dass die Kraft Gottes dann meine Kraft ist.

Aber so etwas kommt ja nicht alläglich vor. Viel häufiger geht es darum, die “kleinen” Ungerechtigkeiten nicht einfach stehenzulassen. Mit der Perspektive Jesu zu leben. Wie würde Jesus reagieren, wenn jemand übers Ohr gehauen wird? Wenn jemand trotz seiner Anstrengungen nicht genug zum Leben hat? Wenn ein Kind aus ärmeren Verhältnissen in der Schule einfach nicht dieselben Chancen hat wie ein anderes, das besser gefördert wird?

Zeuge Jesu zu sein: das sollte für mich bedeuten, den Blick Jesu einzunehmen. Und zu versuchen, so zu leben, wie er es uns vorgemacht hat. Hinzuschauen, wo er hingeschaut hätte. Praktisch zu helfen, wo er geholfen hätte. Wenn wir so leben würden, dann würde eine explosive Kraft freigesetzt, die unsere Gesellschaft umwälzen kann. Die Frieden bringen kann, im ganz Kleinen und im ganz Großen.

Aber haben wir den Mut, in unserem persönlichen Leben die Zündschnur zu entzünden? Wenn nötig jeden Tag? Immer wieder? Die Visionen wahr werden zu lassen, von der die sechs so unterschiedlichen Zitate sprechen?

  • An Jesus zu glauben bedeutet, das Dynamit zu besitzen.
  • Zeuge Jesu, Nachfolger Jesu zu sein aber heisst: das Dynamit zu entzünden.

Wie immer kannst du deine Gedanken in den Kommentaren hinterlassen, oder mir auch persönlich schreiben (a_wuestefeld AT gmx.de).



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Quellen:

Titelbild: Unter Verwendung eines Fotos von Jake Stephens, auf [unsplash.com].

Fussnoten:
  1. Julie Leininger Pycior - Bearing Witness: Catherine de Hueck Doherty and the “Gospel of Dorothy Day”. U.S. Catholic Historian, Vol. 26, No. 1, Women and Social Reform (Winter, 2008), pp. 43-66. Seite 51. Zitiert nach: [jstor.org]. Abgerufen: 2020-07-22. Übersetzung von mir. 

  2. vgl. [Wikipedia.de], Stichwort “Catherine Doherty” 

  3. vgl. [Wikipedia.de], Stichwort “Peter Maurin” 

  4. Michael Baxter - “Blowing the Dynamite of the Church”: Catholic Radicalism from a Catholic Radicalist Perspective. [Houston Catholic Worker], 1999-04-01. Abgerufen: 2020-07-22. Übersetzung von mir. 

  5. vgl. [Wikipedia.de], Stichwort “Mohandas Karamchand Gandhi” 

  6. [Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern - Gebete, Lebensregeln, Glaubensfundament]. Abgerufen: 2020-07-22. 

  7. [Y-Bibel] 

  8. Die Forschung geht davon aus, dass der Römerbrief zwischen 54 und 57 n.Chr. geschrieben wurde.