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[Dies ist der erste Teil eines mehrteiligen Posts.]

Es gibt eine Bibelstelle, mit der ich immer Schwierigkeiten hatte. Seit ich mich entschloss, mit Jesus zu leben, war sie meine größte Herausforderung. Es sind die letzten Worte, die uns von Jesus überliefert sind. Das, was Jesus seinen Jüngern zum Abschied auftrug.

Das Matthäus-Evangelium endet damit, dass Jesus seine Nachfolger ein letztes Mal zusammenruft. Sie treffen sich auf einem Berg in Galiläa, der Heimat Jesu. Es ist nur ein sehr kurzes Treffen, und Jesus kommt direkt zur Sache. Er geht auf seine Freunde zu und sagt:

Mir ist alle Macht im Himmel und auf der Erde gegeben. Darum geht zu allen Völkern und macht die Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Und seid gewiss: Ich bin jeden Tag bei euch, bis zum Ende der Welt.
(Mt. 28, 18-20; NG)

Diesen Text nennen wir meistens den “Missionsbefehl”; wir verstehen darunter den Auftrag zu evangelisieren. Und genau das brachte mich jedes Mal unter Druck, wenn diese Bibelstelle irgendwo erwähnt wurde. Evangelisation - das war einfach nichts für mich. Und so hatte ich oft ein schlechtes Gewissen: Ich bin einfach nicht jemand, der sich auf die Straße stellen und fremde Leute anpredigen kann.

Dabei habe ich es wirklich versucht. In meiner Jugend besuchte ich eine Bibelschule. Dazu gehörten zwei “Missionseinsätze”: Einer in Österreich, und einer im damaligen Jugoslawien. Ich hatte mich bewusst dafür entschieden, denn das Evangelium, die gute Nachricht von dem liebenden Vatergott, war mir sehr wichtig. Und ich hoffte, den Leuten irgendwie davon erzählen zu können.

Der Anfang war immer okay: Ich spielte in einem Theaterstück über das Leben Jesu mit. Wir führten es in Fußgängerzonen und auf Campingplätzen auf. Dabei fühlte ich mich sicher. Aber wenn es darum ging, die Zuschauer persönlich anzusprechen, reichte mein Selbstbewusstsein einfach nicht aus. Ich stand komplett unter Strom und hatte immer ein schlechtes Gewissen.

Als Folge drückte ich mich vor diesem Bibeltext. Ich wünschte, er würde nicht in der Bibel stehen. Es dauerte 40 Jahre, bis ich den Stier bei den Hörnern packte und es wagte, mich diesem Auftrag Jesu zu stellen. Aber dann konnte ich es fast nicht glauben: nach all der Zeit verstand ich zum ersten Mal, worum es Jesus hier eigentlich geht.

Es sind drei Dinge, die Jesus von seinen Nachfolgern verlangt:

  1. Macht die Menschen zu meinen Jüngern.
  2. Tauft sie.
  3. Lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch gesagt habe.

Vielleicht ist das für dich ganz selbstverständlich, was Jesus hier meint. Aber ich hatte ihn immer falsch verstanden. Bei mir kam dieser “Missionsbefehl” so an: “Geht zu allen Völkern und macht die Menschen zu Christen”.

Auf der Bibelschule hatte ich gelernt, wie das geht. Etwas überspitzt gesagt: Ziel war es, die andere Person zu überzeugen, ihr Leben Jesus zu geben. Dafür musste ich ihr erstmal klarmachen, dass sie so, wie sie gerade vor mir steht, nicht okay ist. Dass sie verloren ist. Erst wenn die Person ein Gebet der Übergabe an Jesus gesprochen hat, ist sie Christ, ist sie auf der sicheren Seite. Dann musste ich sie nur noch ermutigen, die Bibel zu lesen und sich eine Gemeinde zu suchen. Und damit hatte ich meinen Auftrag erfüllt. (Einigen Christen dürfte das bekannt vorkommen.)

Mit dieser Auslegung des letzten Auftrags Jesu an seine Nachfolger konnte ich mich nie anfreunden. Mein innerer Widerstand war für mich lange ungreifbar. Ich hatte das vage Gefühl: das ist eigentlich kein Evangelium, keine wirklich gute Nachricht.

Dabei geht es mir nicht darum, dass wir mit anderen nicht über Jesus sprechen sollten. Im Gegenteil: Wenn du mit jemandem ins Gespräch kommst, wenn du ihm, wie Petrus es ausdrückt, von der Hoffnung erzählst, die dich erfüllt1 - und wenn er dich dann darum bittet, für ihn zu beten, dann ist das super. Wenn jemand sich entscheidet, sein Leben in Jesu Hände zu legen, ist das wunderbar. Aber darüber spricht Jesus hier nicht.

Worum geht es ihm? Um Jüngerschaft.

Menschen, die bereits seine Jünger sind, sollen andere Menschen ebenfalls zu seinen Jüngern machen.

Vielleicht denkst du jetzt: “Ob Jesus nun sagt: ‘Macht die Menschen zu Jüngern’, oder: ‘Macht sie zu Christen’ - das ist doch egal. Läuft doch auf dasselbe hinaus. Christ oder Jünger bedeuten doch eigentlich dasselbe.”

Das Problem ist nur: Wir verstehen heute unter den Worten Christ und Jünger meistens nicht mehr das, was sie vor 2000 Jahren bedeuteten. Und das führt zu einem Verständnis des “Missionsbefehls”, das zumindest verzerrt, wenn nicht sogar falsch ist.

  • Welche Gefühle löst der “Missionsbefehl” bei dir aus?
  • Was verstehst du unter einem Jünger?
  • Würde es für dich einen Unterschied machen, wenn Jesus gesagt hätte: “macht zu Christen”?

Im [nächsten Teil] werden wir anschauen, was die ersten Hörer des Matthäus-Evangeliums damals wohl unter den Worten Christ und Jünger verstanden. Das kann unsere Sicht auf diesen letzten Auftrag Jesu bedeutend ändern.



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Quellen:

Titelbild: Lyricmac at [English Wikipedia]. [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons.

Fussnoten:
  1. vgl. 1. Petr. 3, 15 (NG)